Slammer.Dichter.Weiter.1

Pauline Füg und Martin Fritz waren im Oktober 2011 die ersten beiden Poet_innen der Veranstaltungsreihe  Slammer.Dichter.Weiter. Konfrontieren – Reagieren – Rezitieren lautet der Untertitel.
Demgemäß wurden die Poet_innen von Markus Köhle im Vorfeld mit verstorbenen, österreichischen Dichter_innen des 20. und 21. Jahrhunderts konfrontiert, durften sich aus drei angebotenen Dichter_innen für eine_n entscheiden, sich ein oder mehrere Gedichte vornehmen und auf diese dann in der eigenen Sprache antworten, bzw. die Texte auf ihre Art und Weise fortschreiben.

Zur Auswahl standen: H.C. Artmann, Ingeborg Bachmann, Hermann Schürrer;
Pauline Füg hat sich für Hermann Schürrer entschieden.

Hermann Schürrer machte machtkritische Literatur. Er wurde 1928 im Bergwerksort Wolfsegg in Oberösterreich geboren. War nie religiös. Ging als einziger der Klasse nicht in den Religionsunterricht. Wollte Philosophie studieren. 1951 in Wien. Zuerst Geschichte und Psychologie, hörte Philosophie. Frustrierend. Dann Englisch und Germanistik. Studierte dann Jus. Ebenso frustrierend. Gab einem Polizisten eine Ohrfeige, erschien nicht vor dem akademischen Senat und bekam in absentia Verbot für alle österreichischen Hochschulen.
War damals mit den Lyrikern Enengl und Pötzlberger befreundet. Kannte flüchtig Artmann, doch habe ich mich nie einer Gruppe angeschlossen, oder auch nur anschließen wollen. Das Doktorat fiel ins Wasser, meine Verlobung mit einer Ballettelevin löste sich. Ich beschloß, ausschließlich Gedichte zu schreiben, um kein Geld zu verdienen. Arbeitete für 4 Schilling pro Stunde bei einem Werbegrafiker. Lebte in Kaffeehäusern, Konflikte mit der Polizei, Amtsehrenbeleidigungen, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Psychiatrie, Irrenhaus. Summa: ca. 2 Jahre Gefängnis + 2 Jahre Irrenhaus. Aus Irrenhaus zum Schluß wegen Unbelehrbarkeit nach 11 Tagen entlassen.
Quelle: Hermann Schürrer, Klar Schilf zum Geflecht. Das ABC von a – Zet; lyr. Texte 1954 – 1984. Hrsg. von Lui Dimanche. Medusa Verlag, Wien-Berlin 1984 (gekürzt)

1975 gründete Hermann Schürrer gemeinsam mit Gerhard Jaschke die avantgardistische Literatuzeitschrif Freibord.
1984 erschien Klar Schilf zum Geflecht. Texte 1954-1984 (Medusa Verlag), 1985 erhielt Hermann Schürrer den Literaturpreis der Stadt wien, 1986 starb er bei einem Sturz in der Küche seiner Wohnung im 19. Bezirk.

Literatur:
Hermann Schürrer zum 50. Geburtstag. In: Freibord 3, H. 13/14 (1978).
Robert Menasse: Der Typus des „Außenseiters“ im Literaturbetrieb (Am Beispiel Hermann Schürrer). Studie zum eigentümlichen Verhältnis von offiziösem Literaturbetrieb und literarischem „underground“ im Österreich der Zweiten Republik. Dissertation, Wien 1980.
Christian Millecker: Studien zu Hermann Schürrer. Diplomarbeit, Wien 1992.

pauline fu_g nematacomPauline Füg
1983 in Leipzig geboren, aufgewachsen in und um Nürnberg, studierte Psychologie. Lebt in Eichstätt und forscht in Hannover. Pauline Füg gibt Poetry Slam-Schreibworkshops, ist Mitglied der Eichstätter Schule (großraumdichten, lichtpunkt-film, radient audiovisual arts). 2009 gewann die Eichstätter Schule mit der Verfilmung des großraumdichten-Tracks „Spiegel“ den 3Sat-Poetry Clip Wettbewerb. 2009 Album „an grauzonen vorbei“ des Elektro-Poesie-Projektes großraumdichten im Sprechstation-Verlag.
2010 mit großraumdichten Preisträgerin der Bremer Netzresidenz. 2010 Gewinnerin des Förderpreises der Literaturstiftung Bayern.
2011 Lyrikband „die abschaffung des ponys“ im stellwerck-Verlag.
Darüber hinaus ist Pauline Füg Mitglied des Alzpoetry-Teams und war 2011 Inselschreiberin auf Sylt. Zahlreiche Veröffentlichungen in Anthologien und Literaturmagazinen.

Aktuelles Projekt: Gemeinsam mit der Licht- und Filmkünstlerin Cendra-Doreen Polsner (radient) lässt Pauline Füg Kurzfilme Wirklichkeit werden: Pauline spricht, Cendra projiziert live Clipfragmente in den Raum, die dem Zuhörer/Zuseher die Augen öffnen und so einen weiteren Zugang zu den Texten schaffen. Ein abwechslungsreich spannender Abend mit Spoken Word-Texten, Lyrik, Installation, Videoclips und manchmal ein paar melodischen Beats nimmt das Publikum mit zu anderen Blick- und Fluchtpunkten.

Zur Auswahl standen: Gert Jonke, Gunter Falk, Elfriede Gerstl
Martin Fritz hat sich für Elfriede Gerstl entschieden. Elfriede Gerstl macht ansprechende, lakonisch gewitzte Literatur.

Elfriede Gerstl wurde 1932 in Wien geboren und ist 2009 dort gestorben. Sie überlebte als Jüdin die NS-Zeit in mehreren Verstecken. 1955 begann sie, in Literaturzeitschriften zu veröffentlichen. Als einzige Frau im Umkreis der Autoren der ›Wiener Gruppe‹ und der frühen Aktionisten, die aus Wien vertrieben wurden, lebte sie in den bewegten 60er Jahren in Berlin, seit 1968 wieder in Wien. Für ihr Werk erhielt sie u. a. den Erich Fried- und den Georg Trakl-Preis.

Zwei KritikerInnen-Stimmen über Elfriede Gerstls Literatur:
»Der Tandelladen Literatur – ein stärkeres Gegenbild zum hehren Tempel der Dichtkunst lässt sich nicht finden. Elfriede Gerstl hasst alles Prätentiöse und Pathetische wie die Pest. (…) Eine Meisterin des Minimalismus, die den Diminutiv zur künstlerischen Methode gemacht hat.« Daniela Strigl
»Wer eine Telenovela gesehen hat, braucht ein paar zarte Gerstl-Texte, um wieder gesund zu werden, das ist das notwendige Medikament angesichts einer solchen Kunstkonfektion oder Konfektionskunst. Die kleinen Textpartien bei Elfriede Gerstl mögen als Bagatellen gelten, aber diese Bagatellen haben eine exquisite Tradition: Hier muss sich die Spannkraft jedes einzelnen Satzes bewähren, hier kommt es auf Wortfolge an, auf die kleinsten rhythmischen Einheiten. Peter Altenberg und Franz Kafka, Konrad Bayer und H. C. Artmann, das sind die Meister dieser Kunst, die aus dem Minimalen das Maximum herauszuholen imstande waren, und das ist ein Zusammenhang, der sich sehen lassen kann.« Wendelin Schmidt-.Dengler

  • Wiener Mischung. Gedichte und Kurzprosa. edition neue texte, Literaturverlag Droschl, Linz/Graz 1982.

weitere Veröffenltichungen u. a. Bei Deuticke, in der Edition Splitter, Freibord-Verlag;
Zuletzt (bei Droschl): mein papierener garten (2006), lebenszeichen – gedichte träume denkkrümel (2009);
Über Elfriede Gerstl erschien 2002 ein DOSSIER-Band, herausgegeben von Konstanze Fliedl und Christa Gürtler.

Martin Fritz
(*1982) lebt, forscht, schreibt und liest vorwiegend in Innsbruck, ist Teil der Innsbrucker Lesebühne Text ohne Reiter (http://textohnereiter.com), seit Jahren aktiver Blogger (http://assotsiationsklimbim.twoday.net), Poetry Slam Stammgast in und um Innsbruck, gerne Literaturrahmenveranstaltungs-DJ und er bastelt überdies an einer Dissertation zu Popkultur und Web2.0.
2011 war er zum Klagenfurter Literaturkurs geladen, 2010 erhielt er den Rauriser Förderungspreis für Literatur, 2010 erschien das vom Literaturhaus am Inn herausgegegebene Inn-Lesebuch „the definition of correctness“, 2009 hat er den Fm4-Wortlaut-Literaturwettbewerb gewonnen, 2008 war er Finalist des 16. Open Mike der Literaturwerkstatt Berlin. Texte in Literaturzeitschriften und Anthologien: z. B. Mundpropaganda (Milena), Wortlaut 09, Gold (Luftschacht), Schmiede Zeitschrift „Der Hammer“

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