Zwei ganz Große der Nachkriegsliteratur wurden ausgewählt von Tanasgol Sabbagh und Lukas Hofbauer. Zwei Autorinnen, die einige Gemeinsamkeiten haben und jeweils einzigartige Werke in den Bereichen Lyrik, Prosa und Hörspiel hinterlassen haben. Sie seien beide kurz anhand von Zitaten vorgestellt:
„Ich habe aufgehört, Gedichte zu schreiben, als mir der Verdacht kam, ich ‚könne‘ jetzt Gedichte schreiben, auch wenn der Zwang, welche zu schreiben, ausbliebe. Und es wird eben keine Gedichte mehr geben, eh’ ich mich nicht überzeuge, daß es wieder Gedichte sein müssen und nur Gedichte, so neu, daß sie allem seither Erfahrenen wirklich entsprechen.“
Sagte Ingeborg Bachmann über das Gedichte-Schreiben. Mit „Die gestundete Zeit“ (1953) und „Anrufung des großen Bären“ (1956) hat sie der Literatur allerdings zwei bleibende Lyrik-Bände beschert. Selbst sah sie sich eher als Prosa-Autorin, Gedichte schienen ihr „nur Ausrede für Arbeit“. Der Roman „Malina“ (1971) und der Erzählband „Simultan“ (1972) sollten hier zumindest erwähnt werden. Erwähnt soll auch werden, was Eva Menasse über Igeborg Bachmann schrieb:
Ingeborg Bachmanns Humor, ihre Begabung zur Freundschaft, ihre Vielsprachig- und Weltläufigkeit, ihre Lust an Inszenierung, an Weiblichkeit und Intellektualität uns schließlich die enorme Kraft, die von ihrer Persönlichkeit ausging, können offenbar erst jetzt richtig entdeckt werden.
Bachmanns Humor kann unter anderem in ihren Essays (zum Beispiel im Beitrag „Die wunderliche Musik“) entdeckt werden. Lukas Hofbauer hat sich allerdings für einen Bachmann-Klassiker entschieden: „Erklär mir, Liebe“ Lukas erklärte in Rezeptform und bat zu Tisch.
Nicht minder bedeutend die Autorin, die sich Tanasgol Sabbagh ausgesucht hat. Ilse Aichinger schrieb mit „Die größere Hoffnung“ (1948) einen Roman, der unerreicht bleibt. Während andere noch jahrelang nach einer richtigen Sprache suchten, hatte sie sie schon gefunden und wie. 52 Jahre später sollte sie dann eine Viennale-Tagebuch führen, das zu einer Kolumne im Standard wurde und unter „Journal des Verschwindens“ vielleicht noch einigen ein Begriff ist. Da (im Teil IV des Viennale-Tagebuchs) schrieb sie:
Wie sagt man: Zuerst die gute Nachricht? Oder doch viel lieber zuerst die schlechte? Mein Bild von Deutschland war lang, ehe ich es kannte, die gute Nachricht. Die nördlichen Gegenden ermutigten mich auf der Landkarte. Vor allem war ich auf dieser Kinderlandkarte Ostpreußen verfallen, „Namen, die keiner mehr kennt“. Eben deshalb. Es kam mir vor, als wäre dort selbst das Wetter ehrlicher und keinesfalls tückisch. Ich hätte mir dieses Deutschlandbild so wenig nehmen lassen wie die Freude auf den Ferienbeginn und während der Ferien die Freude auf den Schulbeginn. Dass zu Deutschland auch Castorp-Rauxel und Wuppertal-Elberfeld gehörten, strich ich schon, ehe ich davon wusste. Es war anders als Österreich, offener. Ich sah den Heldenplatz in der Realität, und den im Burgtheater. Die Realität war um einiges schlimmer. Und ich konnte mir einen solchen Heldenplatz in Berlin, Hamburg oder Köln nicht vorstellen.
Auch Aichinger hatte also Humor, wenngleich sie eher mit Aussagen auffiel, die so klingen: „Ich habe es immer als eine Zumutung empfunden, dass man nicht gefragt wird, ob man auf die Welt kommen will. Ich hätte es bestimmt abgelehnt.“
Tanasgol hat das Gedicht „Mir“ aus „Verschenkter Rat“ (1978) ausgesucht. Einer Gedichtsammlung aus zwei Jahrzehnten, die auch noch immer lesbar ist. Diese Gedichte altern nicht, sie veredeln sich eher. „Was tat ich?“ wird in der letzten Zeile von „Mir“ gefragt. Tanasgol gab Antwort. Ein Abend, der Lust auf mehr Bachmann, Aichinger, Hofbauer und Sabbagh machte.