Die letzte literarische Veranstaltung in der Alten Schmiede im Jahr 2020 war ebenso besonders, wie es die Bedingugen waren. Sarah Anna Fernbach und Parkwaechter Harlekin traten im Rahmen von „Ist das Kunst oder kann das Rap?“ (kuratiert von Mieze Medusa) bei Slammer.Dichter.Weiter. 2.7 an und so schaute das aus:
Sarah Anna Fernbach hat sich für „Lamentationen (2)“ von Andreas Okopenko entschieden. Einem 1950 geschriebenen Gedicht, dem sie mit einem Text über das Sudern antwortete. Der Winter, diverse Lasten und die Vorlage waren klar erkennbar und dennoch entstand etwas ganz Eigenens, Neues. So soll es sein und so machte es auch Parkwaechter Harlekin. Er wählte die Rede von Christine Nöstlinger, die sie 70 Jahre nach der Befreiung von Mauthausen 2015 im Parlament gehalten hatte und personalisierte und aktualisierte diese auf seine Art. Es ging um Alltagsrassismus und die neuen Formen davon und wurde ein eindeutiger Slam-Poetry-Text.
Beide meisterten die erschwerten Bedingungen – kein Publikum, kein Motivationsapplaus, kein Response – vorbildlich und wurden dafür vom Markus Köhle mit Vorstellungen bedacht, die bleiben und hier auch stehen sollen:
Sarah Anna Fernbach
(Slammt seit 2016, war Ö-Slam-Siegerin und Deutschsprachige U20-Meisterin 2018, Homeslam: Solaris, Linz)
Wenn die Slamily ein Textstrom mit Familienanschluss ist, was sie ist, dann hat sie mit SAF in den letzten Jahren eindeutig eine Bereicherung in Form eines stillen, fröhlich quellenden, tiefen Wassers erfahren, das eine prickelnde Mischung aus Lisa Simpson und Wilheml Busch ist. Alles, was wir alle kennen, macht SAF zum Thema. Alles, was wir vermeintlich alle kennen und deshalb gar nicht mehr hinterfragen, macht SAF zum Thema und seziert und analysiert es. Macht also mehr draus, als wir uns alle vorstellen können. Potenzielle Themen: Schlafen, Duschen, Schokolade.
Oder aber auch nachbarschaftliche Beziehungen und schlampiger Sprachgebrauch. Was SAF behandelt, ist im besten Sinne erledigt. Das ist idealtypische Aufklärungsarbeit und sprachskeptisch noch dazu.
Alles was Sie schon immer über – hier Thema nach Wahl einsetzen – wissen wollten, SAF weiß es und weiß es auf einzigartige Art und Weise in einer Detail-Fülle zu präsentieren, die überwältigt und ob des sprachlichen Charmes und der dosierten Verschmitztheit wohlig einwickelt.
Was da gerne oft mit einer einfachen Einleitung im Dialekt daher kommt, ist eine perfekte Underestatment-Inszenierung, die sich langsam aber unaufhaltsam und unwiderstehlich hoch fährt.
SAF mixt Metren, lässt auf Endlossatz-Prosa-Passagen Monsterwort-Ketten folgen, setzt Wortspiel-Pointen oder Publikumsfragen kalkuliert und mit Feingefühl. Zwischendurch wird das Tempo hochgepitcht und dann wieder dramatisch verlangsamt. Sie gibt uns Leine und holt uns dann wieder ganz an sich heran. Einfach weil sie’s kann. Stimmarbeit heißt bei SAF nicht nur Sprachrhythmisierung sondern mitunter auch Melodieführung. Klar, wird auch zitiert, klar werden popkulturelle Einflüsse eingearbeitet.
SAF kennt ihr Publikum und weiß es zu bedienen. Sie stellt Kontakt mit dem dem Gegenüber her, als wär es keine Kunst. Sie baut eine Identifikationsfigur auf, die wiederum nicht überhöht sondern eben eindeutig mit Understatement versehen wird und wenn sie einen – uns – dann vollends hat, dann wird losgelegt. Dann zieht SAF alle Register der Reim- und Wortspielkunst: dann reimt sie kreuz-und-kehr und ketten-und-schweif, dann jambt und jandelt sie, dann anapästet und buscht sie. Dann wird ein Thema bis zum absoluten Worterbrechen erschöpfend behandelt. Sodann fährt SAF die Sympathien aller ein und den Text heim, bis zum letzten Endreim.
Parkwaechter Harlekin
(Alben: Liebe (2010), Die Unentschlossenheit der Türen (2013), Zum Fleiß (2016) ProblembaerRecords; Der Vollstaendigkeit Halber (2020) wolkenvorhang)
PH macht keine explizit Lyrics, er macht implizit Lyrics, Lyrics mit Subtext. Er kommentiert Phänomene der Zeit, macht das aber poetisch verklausuliert. So erhöht er die Ereignisse, enthebt sie dem Kontext und macht sie dadurch zeitlos und allgemein gültig. Das klingt nach brechtschem Verfremdungseffekt und Brecht steht PH gut. Denn PH hat Haltung und Anspruch.
„Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher.“ schreibt BB und PH schreibt gegen jene an, die sich durch das Verbreiten ihrer Lügen zu populären Figuren machen, anstatt dass sie als Verbrecher erkannt werden.
PH legt den Finger in die Wunden der Gesellschaft und das Ohr gleich mit drauf, denn PH hört sie raus, die Unstimmigkeiten im gegenwärtigen Gesellschaftskanon, der immer wieder geprägt ist von heuchlerischer Politik, Augenauswischerei und Schulterschluss.
Wenn Österreich ein Park ist, dann hat es in und mit Parkwaechter Harlekin einen besseren Wächter aka Kommentator verpasst gekriegt, als es verdient. Dass ein Österreich-Kommentar aus dem Untergrund respektive dem Keller kommen muss, ist klar. Diese politisch-poetisch wabernde Kelleratmosphäre zu erzeugen, darin versteht sich PH musikalisch und textlich. Es rumpelt in der Kellerkiste. Der generelle Düstertouch ist mehr in den Beats daheim, wird aber schon auch durch die originelle Stimmarbeit vermittelt. Die Beats verteilen mehr Gnackwatschen als das Arrangement Streicher-Streicheleinheiten. Dass das auch nackt respektive acapella funktioniert, wird bewiesen werden.
Schnelle Eingängigkeit ist nicht das Ziel, eher momentane Überforderung. Die gerne lyrisch überbordenden Texte laden zum Mehrmalhören ein, nein, sie zwingen zum Mehrmalhören, weil man mehr verstehen will und immer an etwas Neuem hängen bleiben kann. Das ist eine große Qualität. Als Gegenstück zur Zeilenopulenz werden immer wieder Endloswiederholungen serviert und zwar brillantpenetrante Refrainzeilen wie zum Beispiel: „Statt den Worten die wir sagen wollen, sagen wir ihr nur die Worte, die wir glauben, die wir sagen sollen.“ Damit ist das Dilemma der Beziehungskommunikation auf einen Satz und auf den Punkt gebracht. Und außerdem erwähnt, dass es schon auch einfach mal nur um Liebe gehen kann. Womit wir wieder beim ersten Albumtitel angelangt wären. „Man kann die Wahrheit nur mit List verbreiten.“, schreibt Bert Brecht. PH hat sie, die List. PH ist list- und lustvoll im Umgang mit Musik und Sprache und gehört nicht nur gehört, sondern auch gelesen.