Die goldene Flut im Paradies der Zahlen

PublikumEs hat schon was, wenn man um 18Uhr30 in die Alte Schmiede kommt und sich diese einem bereits gut gefüllt präsentiert. Wenn man dann auch noch begrüßt wird mit: „Ich habe Sie auf youtube gesehen, sie sind lustig. Dann freuen einen diese Vorschusslorbeeren. Wenn man dann auch noch zwei tolle Gäste geladen hat, dann steht einem gelungenen Abend nichts mehr im Weg. Um 19 Uhr war die Schmiede voll, die Stimmung toll und der Applaus für Adina Wilcke und Jonas Scheiner groß.
Zur Auswahl standen bei SDW 17: Max Riccabona, Michael Guttenbrunner, Gerhard Kofler, Ernst Herbeck, Christian Ide Hintze und Otto Grünmandl.
DSC01373
Adina Wilcke hat sich für einen Dichter entschieden, den Ernst Jandl 1994  als wackeren Musensohn und edlen Jünger der Sappho bezeichnete. Gemeint ist damit der 1953 in Wien geborene und 2012 ebendort verstorbene Christian Ide Hintze.
DSC01369In den 1970er Jahren machte dieser als Zettepoet auf sich aufmerksam und verteilte in vier Jahren 1,2 Millionen seiner Gedichte (und bekam 3000 schriftliche Antworten darauf). Als er das auch vor dem Burgtheater versuchte, ereilte ihn eine Strafverfügung mit folgendem Wortlaut: „durch Verteilen von Druckschriften den Fußgängerverkehr behindert.“ (1977)
Ein Jahr zuvor befand die Volkspolizei Ostberlin in einem Protokoll: „Ihre Texte bestehen aus Obszönitäten und Wortspielen. Für diese Art von Texten gibt es in der DDR keine Notwendigkeit.“
Hintze ließ sich nicht beirren und vertrat weiterhin konsequent seine siebendimensionale Poetik: interaktive, visuelle, Infrastrukturelle, literarische, instruktive, akustische und performative Poesie;
DSC01372Er lernte Allen Ginsberg kennen, besuchte die „Jack Kerouac School of Disembodied Poetics“ und gründete sodann (gemeinsam mit u.a. Christine Huber und Christian Loidl) die Schule für Dichtung in Wien, der er 20 Jahre auch als Direktor vorstand.

Adina hat das titelgebende Gedicht des 1987 erschienenen Bandes „Die goldene Flut“ ausgesucht, großartig vorgetragen und in souveräner Manier darauf geantwortet.

Im Jahre 1987 machte der von Jonas Scheiner ausgewählte Dichter auch auf sich aufmerksam und zwar mit einem Kabarettprogamm, das folgenden Titel trug: Politisch bin ich vielleicht ein Trotel, aber privat kenn ich mich aus
Der Mann dahinter, der In Tirol Kultstatus genießt und soetwas wie der Gerhard Polt Tirols war, stand in der Tradition Karl Valentins, kam 1924 in Hall zur Welt und lebte auch bis zu seinem Tod 2000 dort. „Höret, was Erfahrung spircht: Hier ist’s wie anderswo. Nichts Genaues weiß man nicht, dieses aber ebenso.“
DSC01374Die Rede ist vom „Einmannstammtisch“ Otto Grünmandl. Bereits in den 1950er Jahren publizierte Grünmandl, war jedoch eher für seine Hörspiele bekannt (1970 Österreichischer Staatspreis für Hörspiel).
DSC01379Er arbeitete als Textilkaufmann im elterlichen Betrieb, leitete von 1972-81 die Unterhaltungsabteilung im ORF-Landesstudio Tirol, schrieb zahlreiche Kabarettprogramme, daneben aber immer auch Prosa (zB „Das Ministerium der Sprichwörter“ 1970) und Lyrik und wurde mit seinen „Alpenländischen Interviews“ (gemeinsam mit Theo Peer), die auf Ö3 gesendet wurden, richtiggehend zum Star. Dabei blieb er sich aber immer treu, pflegte die Ironie des Irrationalen, ließ Kanarienvögel beim Bergsteigen abstürzen und erfand skurrile Maschinen.
Seine Gedichte las er nur einmal öffentlich vor. Diese Lesung ist, festgehalten auf CD, dem 2000 bei Haymon erschienenen Band „Hinter den Jahren“ beigelegt. Jonas Scheiner antwortete auf: „Drittes Monologfragment. Ein rabenähnlicher Vogel im Paradies der Steine“.
Jonas ließ die „Ks“ prächtig krachen und entführte anschließend ins Paradies der Zahlen. Das machte Lust auf mehr und mehr folgte dann auch. Adina und Jonas wechselten sich ab und gaben insgesamt 90 Minuten lang Einblick in ihr Können. Dem Publikum und den Veranstaltern gefiel’s. Ein rundum gelungener Abend im Zeichen der Poesie!
DSC01392

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , , , , | 1 Kommentar

Slammer.Dichter.Weiter. 17

Der Sommer ist vorbei, es wird weiter geslammt. SDW 17 – am Dienstag, den 30. September 2014 – wartet mit einem performancestarken Duo auf, das seit einiger Zeit nicht nur in ganz Österreich unterwegs ist und zwar: Adina Wilcke und Jonas Scheiner;
Markus Köhle moderiert
Beginn: 19 Uhr
Eintritt: frei!

ADINAfotoAdina Wilcke, 1987 geboren in Berlin, aufgewachsen in Wien. Schauspielerin, Autorin, Regisseurin, Slammerin, Freizeitpädagogin.
Sie veröffentlichte schon zahlreiche Kurz-Theaterstücke. Ebenso schrieb sie Musicals, Hörspiele und Drehbücher. Stand für Sprechtheater, Operetten, Theatershows, Musicals und Performances auf zahlreichen Bühnen. Ende 2011 entdeckte sie Poetry Slam.
2012-2013 eroberte sie die Slam Bühnen in Österreich und seit Jänner 2014 tourt sie monatlich quer durch Deutschland und findet kein Ende ihrer Slamdurststrecke.

 

Blitzdichtgewitter#3-9Jonas Scheiner ist 23-jähriger Wahlwiener, Autor, Poetry Slammer, Moderator & Grübler. Er wurde als Einzelkind einer Theaterfamilie in Köln geboren. Jonas Scheiner drückt sich gern durch gesellschaftskritische Beobachtungen aus zwei offenen Augen mit einer Schwäche für Lyrik aus sowie durch zeitgenössische Kurzgeschichten mit Relativierungsanspruch. Er steht monatlich als Mitgründer und Moderator des „Blitzdichtgewitter Poetry Jazz Slam“ sowie der „Bilder_Bücher_Bühne“ auf Wiens Bühnen, die er sich am liebsten mit seinen beiden Kollegen des Künstlerkollektivs FOMP teilt.

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , , | Schreib einen Kommentar

Platz für Lyrik und KunstMobilmachung

DSC00472Am Donnerstag, den 5. Juni 2014 wurde der Yppenplatz poetisiert. Slammer.Dichter.Weiter.16 fand ihm Rahmen der Poliversale, des Lyrik-Fests der Alten Schmiede in Kooperation mit der brunnenpassage und weil es das Wetter wollte, unter freiem Himmel statt. Fatima Moumouni (die Bayerin in Zürich) und Marion Tomic (der Bosnier in Graz) hatten es dabei doppelt schwer und schön zugleich. Einerseits eine einmalige Kulisse – andererseits natürlich öffentlicher Raum. Wie ergreifend und raumeinnehmend es schließlich werden sollte, war anfangs nicht absehbar.
DSC00486DJane Countessa heizte ein, Kinder stürmten die Bühne, tanzten, trieben Faxen. Diverse Platzhirschen brüllten sich langsam ein. Um 20 Uhr dann Schluss mit lustig und time for Lyrik.
Fatima Moumouni hatte sich für den 1897 in Niederhollabrunn geborenen, 1958 in Wien verstorbenen Theodor Kramer und sein „Requiem für einen Faschisten“ entschieden.
Mario Tomic schrieb Gerhard Fritschs „Schlachtbilder für HC“ weiter.

DSC00478Theodor Kramer: Matura – Erster Weltkrieg – Studium. Buchhändler – Büchervertreter – Schriftsteller (ab 1931). Er war Gründungsmitglied der „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“. Nach dem Anschluss an das Deutsche Reich wurde er als Jude und Sozialist mit einem Arbeist- und Berufsverbot belegt. 1939 gelang ihm die Flucht nach London. Seine Werke standen auf der Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums. Im Exil arbeitete er als Bibliothekar, schrieb aber weiter (12.000 Gedichte im Nachlass). Erst 1957 kehrte Kramer nach Wien zurück.
Die Theodor-Kramer-Gesellschaft vergibt den Theodor-Kramer-Preis für Schreiben im Widerstand und im Exil.

DSC00484Gerhard Fritsch: Matura – Zweiter Weltkrieg – Studium. Lehrer – Lektor – Bibliothekar und ab 1959 freier Schrirtsteller. Fritsch war ein Förderer und Gründer. Er war Redakteur der Literaturzeitschriften „Literatur & Kritik“  und „Protokolle“. Seine Romane „Moos auf den Steinen“ (1956), „Fasching“ (1967) wurden kürzlich wiederaufgelegt, seine Gedichte sind in gesammelter Form bei Zsolnay erschienen. Hermann Piwitt schreibt in einem Nachruf über den 1969 verstorbenen Autor: „Ein Problem waren ihm zum Beispiel die österreichischen Verhältnisse. Er bemühte sich, ein Milieu realistisch zu differenzieren, dem der Opportonismus längs zur existenziellen Bedingung geworden war. Er lebte und schrieb, hoffnungslos engagiert – als ob er in einer veränderbaren Gesellschaft lebte – über Verhältnisse, denen gegenüber sich seine jüngeren und erfolgreicheren Wiener Kollegen längst in die Anarchie des schwarzen Humors und der experimentellen Posse zurückgezogen hatten.“
Ankündigung

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , , , , | Schreib einen Kommentar

SDW 16 am Yppenplatz

pic11tomicSlammer.Dichter.Weiter. 16 findet am Donnerstag, den 5. Juni im Rahmen des Wiener Lyrik-Fests der Alten Schmiede POLIVERSALE (14.5. – 12.6. 2014) statt und wir konnten dafür den KunstSozialRaum brunnenpassage als Kooperationspartner gewinnen. SDW16 also im 16ten Bezirk und zwar open air mit dem KunstMobil am wunderbaren Yppenplatz!

Mit dabei sind: Fatima Moumouni und Mario Tomic sowie die DJ Line Brunnhilde.

Markus Köhle moderiert, ab 19 Uhr gibt es Musik, ab 20 Uhr Spoken Word Poetry und Lyrik von ausgewählten DichterInnen des 20. Jahrhunderts.

FatimaFotoFatima Moumouni ist 20. Spoken Word Poetin, Poetry Cook, Herzensmünchnerin und Wahlzüricherin.

Sie ist bayrische U20-Poetry-Slam-Meisterin 2012 und U-20-Vizemeisterin der deutschsprachigen Meisterschaften im Poetry Slam 2012 und auf allen Bühnen im deutschsprachigen Raum daheim.

Sie tritt überall auf, denn das bringt ihr Freude. Fatima schreibt sowohl für sich, als auch für andere. Neben ihren Auftritten gibt sie auch Workshops im Poetry Slam.

www.fatimamoumouni.com

MTomicBpsMario Tomic
lebt und arbeitet als freischaffender Künstler in Graz. Er ist Mitbegründer der „1sten Grazer Lesebühne: Gewalt ist keine Lesung“ sowie Veranstalter und Moderator der monatlichen Kultveranstaltung „Kombüsen Slam“ . 2012 wurde er österreichischer Vize- und steiermärkischer Landesmeister im Poetry Slam und hat mittlerweite über 100 Auftritte in sechs verschiedenen Ländern gesammelt. Er ist einer der vielseitigsten und reiselustigsten Slam Poeten des Landes. Ob skurrile Kurzgeschichten, Wortspielakrobatik, Spoken-Word oder Beat Poetry. Mario versucht sich immer wieder neu zu definieren und hat dabei sehr viel Spaß auf der Bühne.

Das wird ein Fest, seid mit dabei!

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , , | Schreib einen Kommentar

Wahrnehmungserziehung und Werkbewusstsein

DSC00112Slammer. Dichter. Weiter. 15 fand am Dienstag, den 6. Mai 2014 in der Alten Schmiede statt und lockte – trotz großer Konkurrenz (Judith Butler in Wien) zahlreiche Slam- und Lyrik-Fans an, die auf ihre Kosten kamen und Stefan Dörsing aus Wetzlar und Christian „Schreibi“ Schreibmüller aus Wien Neubau zu hören bekamen.

DSC00096Der Gast aus Mittelhessen hatte die Wahl zwischen Gerhard Fritsch, Max Riccabona und Ingeborg Bachmann und hat sich für den Lyrik-Superstar der 1950er Jahre entschieden.
„Was aber möglich ist, in der Tat, ist Veränderung. Und die verändernde Wirkung, die von neuen Werken ausgeht, erzieht uns zu neuer Wahrnehmung, neuem Gefühl, neuem Bewusstsein.“ Ingeborg Bachmann (Poetikvorlesung)
Ingeborg Bachmann wurde 1926 in Klagenfurt geboren, studierte in Wien, Graz, Innsbruck, promovierte über Haidegger, arbeitete als Rundfunkredakteurin, viel 1946 mit ersten Veröffentlichungen auf, gewann 1953 den Preis der Gruppe 47, sodann erschien „Die gestundete Zeit“ und es regnete Preise. 1956 folgte „Die Anrufung des großen Bären“. Beliebt und ebenfalls ausgezeichnet waren auch ihre Hörspiele. Z. B. „Der große Gott von Manhatten“ (!958).
DSC001061959/60 hielt sie die Frankfurter Poetik Vorlesungen, 1961 folgte der Prosaband „Das dreißigste Jahr“, 1971 der Roman „Mailina“ und 1972 der Kurzgeschichtenband „Simultan“. 1973 starb sie an den Folgen eines Brandunfalls in Rom.
Ingeborg Bachmann litt an der Welt und verzweifelte an der Lieb- und Sprachlosigkeit. Ihre Themen waren: Liebe, Tod, Empfindsamkeit. Ihre Lyrik eine sensible Transkription eines tragischen Lebens.
Stefan Dörsing hat sich für die sehr frühen Gedichte „Die Welt ist weit“ und „Fall ab, Herz“ entschieden, die er als Pro- und Epilog seines Textes verwendete und dabei alle drei Teile zum Glänzen brachte.

DSC00110Schreibi entschied sich nicht für Michael Guttenbrunner, nicht für Bernhard C. Bünker sondern für den Vielschreiber Günter Brödl (1955-2000). Seit den 1970er Jahren war Brödl als Musikjournalist und Autor tätig, arbeitete u. a. in der Musicbox-Redaktion, schrieb Kolumnen, Stücke, Romane, Musical (gar ein Bluesical), Texte für Musikerinnen und erfand den Ostbahn Kurti, dem er eine fiktive Bio- und Discografie andichtete und schon zur Legende machte, bevor die Figur mit Willi Resetarits die ideale Verkörperung fand.
Brödl transponierte die amerikanische Welt ins Österreichische, Wienerische. Er übersetzte nicht nur Rock-Klassiker sondern auch Asterix-Bände ins Wienerische, führte den Ostbahn-Kurti auch als Helden in eine Krimi-Reihe ein und produzierte am laufenden Band. Schreibi hat „Vata Mutta Kind“ und „“Waunn ses mia 2 gebn“ aus dem Band „Ostbahn Auslese“ (1998) zum besten gegeben und mit seiner „Oidn supasaua“ darauf geantwortet.

Danach haben die beiden noch einige Texte aus ihrem Repertoire gezupft und für einen denkwürdigen Abend gesorgt, der wie immer in der Wunderbar ausführlich nachbesprochen wurde.
Ach ja, der STANDARD hat uns brav angekündigt: DSC00079

 

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , , , | Schreib einen Kommentar

Slammer.Dichter.Weiter. 15

SDW 15 wird bestritten von Christian „Schreibi“ Schreibmüller (A) und Stefan Dörsing (D) und findet am Dienstag, den 6. Mai 2014 in der Alten Schmiede statt. Beginn ist 19 Uhr und der Eintritt wie immer frei. Moderiert wird von Markus Köhle

ChristianSchreibiSchreibmüller
Christian Schreibmüller
(*1949 in OÖ) ist Mitbegründer des Wiener Flohmarkts 1972, der „HOSI“ 1979, des Anarchistenzentrums Gassergasse, „GAGA“ 1981, der „Libertine“ 1986, Fotograf, Journalist (Wiener/Wienerin, Stern, Profil etc.) Autor, Veranstalter, Schauspieler, Filmer und Fernsehgestalter diverser Sender, Fotoausstellungen im In- und Ausland; Fotoband über Sizilien, Lyrikbände „Phantasiedehitze“ und „Kannibalenromanze“, Herausgeber der Anthologien „Ungehaltene Rede“ (2008) und „Existenz und Renitenz“ (2011).
STDörsing1Stefan Dörsing (*1988 in Görlitz) wohnt und arbeitet in Wetzlar. Seit 2004 auf Slambühnen. Schreibt, slammt, beatboxt. Doppelter Vize-Meister im Poetry Slam (Team), Slam-Master und MC verschiedener Slams in Mittelhessen. Angehender Kung-Fu Meister. Kann aber auch Maschinen bauen. Mag das zweite Gesetz der Thermodynamik.

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , , | Schreib einen Kommentar

Stahlstadtromantik und Oberflächenhochglanz

DSC09757Julian Heun und Severin „Sevi“ Agostini wählten bei SDW 14 am 2. April 2014 zwei Dichter aus, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Alexander Lernet-Holenia und Erich Fried. Der eine der letzte Habsburge Dichter, der andere der Hausheilige der 68er Generation. Aber Gemeinsamkeiten ließen sich dennoch finden und spannend war der Abend ob dieser Gegensätze auf alle Fälle. Julian Heun wählte die titelgebenden „Fragmente aus verlorenen Sommern“ (2001 Zsolnay) und Sevi das Gedicht „Wegweiser“ aus dem Band „Zur Zeit und zur Unzeit“ (Wagenbach 2001).
Markus Köhle moderierte und streute diverse Zitate ein von den zwei Auserwählten und Julian und Sevi entführten das Publikum in den Kosmos von Berlin- und Linz-gefärbter Spoken Word Poetry.

DSC09742Alexander Lernet-Holenia geboren 1897, ist aristokratischer Abstammung, zieht 1915 freiwillig in den Krieg, schreibt sodann seine ersten Gedichte und schickt sie 1917 dem großen Rilke. Der soll ein Förderer werden und Lernet-Holenia noch einige Zeit nach Rilke klingen. 1921 erschien der erste Gedichtband, Theaterstücke und Preise folgten, in den 1930er Jahren dann zahlreiche Romane (darunter zB „Die Standarte“). Den Zweiten Weltkrieg verbrachte er als Dramaturg der Heeresfilmstelle in Berlin, ab 1951 lebt er wieder in Wien, wird 1969 Präsident des Österrreichischen PEN Clubs (tritt 1972 zurück, weil Heinrich Böll den Literaturnobelpreis bekommt). Er residiert in der Hofburg, eine Gedenktafel erinnert noch heute daran, 1976 verstirbt er.
1989 hat Roman Rocek „Das lyrische Gesamtwerk“ herausgegeben, 2001 folgte eine Auswahl von Rüdiger Görner „Fragmente aus verlorenen Sommern“. Darin befindet sich auch das bemerkenswerte Langgedicht „Germanien“. Eine effektvoll donnernde Klageshymne in der Lernet-Holenia mit dem 3. Reich und den Schuldigen abrechnet und zwar mit Pathos und Formtreue.

DSC09746Erich Fried muss 1938 als 17jähriger vor den Nazis nach London flüchten, 1944 veröffentlicht er dort seinen ersten Gedichtband „Deutschland“, arbeitet aber auch als Übersetzer und politischer Kommenator der BBC. Er engagiert sich an allen Fronten, macht Tagespolitik zu Lyrik („und Vietnam und“ 1966, „Höre Israel!“ 1974). Er ist gefragter Redner und rebellischer Menschenfreund, er füllt Literaturhäuser und überrascht immer wieder. Er wird Mitglied der Gruppe 47 (1963) und nimmt auch die Österreichische Staatsbürgerschaft (1982) wieder an. Er ist der politische Dichter seiner Zeit und ist heute für viele der Liebesgedichteschreiber schlechthin. Das hat mit seinen sehr erfolgreichen „Liebesgedichten“ (1979) zu tun. Auf die Frage wie er sterben möchte, angwortete er: „Erst nach den meisten heute herrschenden Politikern“. 1988 stirbt Fried.

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , , , , | Schreib einen Kommentar

Slammer.Dichter.Weiter.14

Am Mittwoch, den 2. April findet wie immer um 19 Uhr in der Alten Schmiede SDW 14 statt. Zu Gast sind: der großartige Berliner Julian Heun und der nicht minder großartige Linzer Sevi. Beide haben von mir eine Auswahl an DichterInnen des 20./21. Jahrhunderts bekommen, um sich damit zu beschäftigen und haben wohl mittlerweile bereits gewählt, auf wen sie antworten werden. Markus Köhle moderiert, der Eintritt ist frei aber die Plätze begrenzt. Also nichts wie hin!

HeunHendrikSchnellerJulian Heun (*1989; Foto von Hendrik Schneller) ist Autor und Slam Poet aus Berlin. Im März 2013 erschien sein erster Roman „Strawberry Fields Berlin“ bei Rowohlt.Berlin. Seit 2007 ist er auf Poetry Slams und Kleinkunstbühnen zu finden. Er ist doppelter Deutschsprachiger Meister (U20 & Team), dreifacher Deutschsprachiger Vizemeister (Einzel & Team), zweifacher Berliner Meister im Poetry Slam. 2010 gewann er den Kleinkunstpreis Stuttgarter Besen samt Publikumspreis. Er war Gast des Goethe-Instituts bei internationalen Poesiefestivals in Europa, Afrika, Süd- und Nordamerika. Julian Heun ist Projektleiter beim Poesiefestival Berlin 2013, Teil der Lesebühne Spree vom Weizen und des Spoken-Word-Ensembles Allen Earnstyzz und moderiert und organisiert gemeinsam mit Wolf Hogekamp den Bastard Poetry Slam in Berlin.

Poetry SlamSeverin „Sevi“ Agostini (Foto von Matthias Rhomberg) ist einer der bekanntesten und reisefreudigsten Poetry Slammer Österreichs. Als rustikaler Poet mit Hang zum Pathos versucht er seit einigen Jahren seinen Bühnendrang auszuleben und Menschen mit Geschichten und Wortgemälden zu begeistern. Außerdem ist er immer gut gelaunt, schließt schnell Bekanntschaften, integriert sich immer vorzüglich und trinkt das Backstagebier leer.
Bislang darf er sich Wittener Stadtmeister 2010 nennen, war Halbfinalist der deutschsprachigen Meisterschaften 2010 und hat einen dritten Platz bei den österreichischen Meisterschaften 2011 zu Buche stehen. Außerdem ist er National-Wettkönig 2011 und mag keine Himbeeren, dafür liebt er Bienen und das Wort außerdem. Es existieren von ihm ein nie aufgeführtes Soloprogramm namens „Die Leichtigkeit des Nichtseins“ sowie 1-2 kleinere Publikationen.

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , , | Schreib einen Kommentar

Erfreuliche Bilanz und Ohrensessellyrik

Slammer.Dichter.Weiter.13 fand am 10. März 2014 statt. Die Alte Schmiede war gut gefüllt und das Publikum gewillt, den Beiträgen von Ken Yamamoto (Berlin) und Stefan Abermann (Innsbruck) zu lauschen. Markus Köhle hat wie immer moderiert.

DSC09532Ken Yamamoto hatte die Wahl zwischen dem vor 25 Jahren verstorbenen Skandalautor Thomas Bernhard, dem zweisprachige Poesie verfassenden Gerhard Kofler und dem sfd-Gründer und Performance-Poeten Christian Ide Hintze und hat sich für ersteren entschieden.

Thomas Bernhard hat bereits als Jugendlicher Gedichte geschrieben, die noch sein Großvater, Johannes Freumbichler, beurteilte und die sich im Nachlass erhalten haben. Während der 1950er Jahre arbeitete er als Journalist, war gleichzeitig als freier Schriftsteller tätig nahm Unterricht in Schauspielkunst und Dramaturgie und in Musiktheorie im Mozarteum Salzburg.1952 veröffentlicht der Münchner Merkur das Gedicht Weltstück, 1957 erscheint im Otto Müller Verlag der erste Gedichtband: Auf der Erde und in der Hölle, es folgen weitere: In hora mortis (Otto Müller Verlag, Salzburg 1958), Unter dem Eisen des Mondes (Kiepenheuer & Witsch, Köln 1958).

Der typische Bernhard Sound ist bereits in den Gedichten heraushörbar. Thomas Bernhard Texte sind rhythmisch, bauen auf Wiederholung und haben melodische Wirkung. Ken Yamamoto hat das für sich genützt und den Text „In meiner Hauptstadt“ auf Berlin umgemünzt.

DSC09541Stefan Abermann hatte die Wahl zwischen dem Kabarettisten, Hörspielautor und genialen Interpreten seiner selbst Otto Grünmandl, dem Wortungetüme und Textwuste produzierenden Max Riccabona und der Kinderbuchautorin und Lyrikerin Christine Busta und hat sich für letztere entschieden.

Christine Busta (1915-1987) studierte Anglistik und Germanistik, arbeitete als Lehrerin, nach Kriegsende als Dolmetscherin und von 1950 bis 1976 als Bibliothekarin der Städtischen Büchereien, ihr erster Gedichtband „Jahr um Jahr“ erschien 1950 es folgen zahlreiche weitere (zB Der Regenbaum, 1951; Lampe und Delphin, 1955; Die Scheune der Vögel, 1958; Das andere Schaf, 1959; Wenn du das Wappen der Liebe malst, 1981; Der Himmel im Kastanienbaum, 1989).

Für Wolfgang Wiesmüller (Uni Innsbruck) sind die bestimmenden Bereiche ihrer Gedichte die Natur und das Religiöse, was er Verknappungstendenz nennt, drückt die Dichterin selbst, wie folgt aus: „Dawischen mechti eich, / jo dawischn! / Mid an aanzign Wuat“ Busta will von den Lesenden, besser den Hörenden verstanden werden. Gesprochene Literatur hatte für sie einen besonderen Stellenwert. ZB schreibt sie in einem Brief 1960: „Weißt, Sprache ist für mich immer noch zuvörderst gesprochene Sprache und ich hab die Erfahrung gemacht, dass die Leute viel eher an mir vorbeilesen als vorbeihören.“

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , , , | Schreib einen Kommentar

Slammer.Dichter.Weiter. 13

SDW geht geht ins vierte Jahr. Die erste Paarung 2014 besteht aus: Ken Yamamoto (D) und Stefan Abermann (Innsbruck) und geht am Montag, den 10. März wie immer um 19 Uhr über die Bühne der Alten Schmiede in Wien. Markus Köhle moderiert und der Eintritt ist frei!

KenYamamotoKen Yamamoto: Spoken Word Poet und Lyriker lebt in Berlin. Zahlreiche Auftritte bei Poetry Slams und Literaturshows. Mitglied der Berliner Lesebühne ‚Spree vom Weizen‘.
2007 erhielt er den Martha-Saalfeld- Förderpreis. 2008 erhielt er das Stipendium Künstlerdorf Schöppingen und veröffentlichte den Gedichtband ’skzzn‘ bei James & Warrington. 2011 arbeitete er in Chicago mit dem Erfinder des Poetry Slams Marc Kelly Smith am Projekt «Performative Translations».  www.kenyamamoto.de

ÁbermannRobertMaybachStefan Abermann (*1983) verfasst neben Poetry-Slam-Texten auch Kurzgeschichten, Theaterstücke und Romane. Veröffentlichungen in diversen Literaturzeitschriften (u.a. DUM, Kolik, Lichtungen, The Gap).
Ö-Slam-Sieger 2008 und Gründer von “Text ohne Reiter”, der ersten Innsbrucker Lesebühne, die seit 2007 monatlich stattfindet. Im März 2011 erschien sein Debüt-Roman “Hundestaffel” im Skarabaeus Verlag. Förderstipendium für Literatur der Stadt Innsbruck 2012. Stefan Abermann lebt in Innsbruck. www.stefanabermann.org
FOTO: Robert Maybach

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , , | 1 Kommentar