Julian Heun und Severin „Sevi“ Agostini wählten bei SDW 14 am 2. April 2014 zwei Dichter aus, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Alexander Lernet-Holenia und Erich Fried. Der eine der letzte Habsburge Dichter, der andere der Hausheilige der 68er Generation. Aber Gemeinsamkeiten ließen sich dennoch finden und spannend war der Abend ob dieser Gegensätze auf alle Fälle. Julian Heun wählte die titelgebenden „Fragmente aus verlorenen Sommern“ (2001 Zsolnay) und Sevi das Gedicht „Wegweiser“ aus dem Band „Zur Zeit und zur Unzeit“ (Wagenbach 2001).
Markus Köhle moderierte und streute diverse Zitate ein von den zwei Auserwählten und Julian und Sevi entführten das Publikum in den Kosmos von Berlin- und Linz-gefärbter Spoken Word Poetry.
Alexander Lernet-Holenia geboren 1897, ist aristokratischer Abstammung, zieht 1915 freiwillig in den Krieg, schreibt sodann seine ersten Gedichte und schickt sie 1917 dem großen Rilke. Der soll ein Förderer werden und Lernet-Holenia noch einige Zeit nach Rilke klingen. 1921 erschien der erste Gedichtband, Theaterstücke und Preise folgten, in den 1930er Jahren dann zahlreiche Romane (darunter zB „Die Standarte“). Den Zweiten Weltkrieg verbrachte er als Dramaturg der Heeresfilmstelle in Berlin, ab 1951 lebt er wieder in Wien, wird 1969 Präsident des Österrreichischen PEN Clubs (tritt 1972 zurück, weil Heinrich Böll den Literaturnobelpreis bekommt). Er residiert in der Hofburg, eine Gedenktafel erinnert noch heute daran, 1976 verstirbt er.
1989 hat Roman Rocek „Das lyrische Gesamtwerk“ herausgegeben, 2001 folgte eine Auswahl von Rüdiger Görner „Fragmente aus verlorenen Sommern“. Darin befindet sich auch das bemerkenswerte Langgedicht „Germanien“. Eine effektvoll donnernde Klageshymne in der Lernet-Holenia mit dem 3. Reich und den Schuldigen abrechnet und zwar mit Pathos und Formtreue.
Erich Fried muss 1938 als 17jähriger vor den Nazis nach London flüchten, 1944 veröffentlicht er dort seinen ersten Gedichtband „Deutschland“, arbeitet aber auch als Übersetzer und politischer Kommenator der BBC. Er engagiert sich an allen Fronten, macht Tagespolitik zu Lyrik („und Vietnam und“ 1966, „Höre Israel!“ 1974). Er ist gefragter Redner und rebellischer Menschenfreund, er füllt Literaturhäuser und überrascht immer wieder. Er wird Mitglied der Gruppe 47 (1963) und nimmt auch die Österreichische Staatsbürgerschaft (1982) wieder an. Er ist der politische Dichter seiner Zeit und ist heute für viele der Liebesgedichteschreiber schlechthin. Das hat mit seinen sehr erfolgreichen „Liebesgedichten“ (1979) zu tun. Auf die Frage wie er sterben möchte, angwortete er: „Erst nach den meisten heute herrschenden Politikern“. 1988 stirbt Fried.