Die goldene Flut im Paradies der Zahlen

PublikumEs hat schon was, wenn man um 18Uhr30 in die Alte Schmiede kommt und sich diese einem bereits gut gefüllt präsentiert. Wenn man dann auch noch begrüßt wird mit: „Ich habe Sie auf youtube gesehen, sie sind lustig. Dann freuen einen diese Vorschusslorbeeren. Wenn man dann auch noch zwei tolle Gäste geladen hat, dann steht einem gelungenen Abend nichts mehr im Weg. Um 19 Uhr war die Schmiede voll, die Stimmung toll und der Applaus für Adina Wilcke und Jonas Scheiner groß.
Zur Auswahl standen bei SDW 17: Max Riccabona, Michael Guttenbrunner, Gerhard Kofler, Ernst Herbeck, Christian Ide Hintze und Otto Grünmandl.
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Adina Wilcke hat sich für einen Dichter entschieden, den Ernst Jandl 1994  als wackeren Musensohn und edlen Jünger der Sappho bezeichnete. Gemeint ist damit der 1953 in Wien geborene und 2012 ebendort verstorbene Christian Ide Hintze.
DSC01369In den 1970er Jahren machte dieser als Zettepoet auf sich aufmerksam und verteilte in vier Jahren 1,2 Millionen seiner Gedichte (und bekam 3000 schriftliche Antworten darauf). Als er das auch vor dem Burgtheater versuchte, ereilte ihn eine Strafverfügung mit folgendem Wortlaut: „durch Verteilen von Druckschriften den Fußgängerverkehr behindert.“ (1977)
Ein Jahr zuvor befand die Volkspolizei Ostberlin in einem Protokoll: „Ihre Texte bestehen aus Obszönitäten und Wortspielen. Für diese Art von Texten gibt es in der DDR keine Notwendigkeit.“
Hintze ließ sich nicht beirren und vertrat weiterhin konsequent seine siebendimensionale Poetik: interaktive, visuelle, Infrastrukturelle, literarische, instruktive, akustische und performative Poesie;
DSC01372Er lernte Allen Ginsberg kennen, besuchte die „Jack Kerouac School of Disembodied Poetics“ und gründete sodann (gemeinsam mit u.a. Christine Huber und Christian Loidl) die Schule für Dichtung in Wien, der er 20 Jahre auch als Direktor vorstand.

Adina hat das titelgebende Gedicht des 1987 erschienenen Bandes „Die goldene Flut“ ausgesucht, großartig vorgetragen und in souveräner Manier darauf geantwortet.

Im Jahre 1987 machte der von Jonas Scheiner ausgewählte Dichter auch auf sich aufmerksam und zwar mit einem Kabarettprogamm, das folgenden Titel trug: Politisch bin ich vielleicht ein Trotel, aber privat kenn ich mich aus
Der Mann dahinter, der In Tirol Kultstatus genießt und soetwas wie der Gerhard Polt Tirols war, stand in der Tradition Karl Valentins, kam 1924 in Hall zur Welt und lebte auch bis zu seinem Tod 2000 dort. „Höret, was Erfahrung spircht: Hier ist’s wie anderswo. Nichts Genaues weiß man nicht, dieses aber ebenso.“
DSC01374Die Rede ist vom „Einmannstammtisch“ Otto Grünmandl. Bereits in den 1950er Jahren publizierte Grünmandl, war jedoch eher für seine Hörspiele bekannt (1970 Österreichischer Staatspreis für Hörspiel).
DSC01379Er arbeitete als Textilkaufmann im elterlichen Betrieb, leitete von 1972-81 die Unterhaltungsabteilung im ORF-Landesstudio Tirol, schrieb zahlreiche Kabarettprogramme, daneben aber immer auch Prosa (zB „Das Ministerium der Sprichwörter“ 1970) und Lyrik und wurde mit seinen „Alpenländischen Interviews“ (gemeinsam mit Theo Peer), die auf Ö3 gesendet wurden, richtiggehend zum Star. Dabei blieb er sich aber immer treu, pflegte die Ironie des Irrationalen, ließ Kanarienvögel beim Bergsteigen abstürzen und erfand skurrile Maschinen.
Seine Gedichte las er nur einmal öffentlich vor. Diese Lesung ist, festgehalten auf CD, dem 2000 bei Haymon erschienenen Band „Hinter den Jahren“ beigelegt. Jonas Scheiner antwortete auf: „Drittes Monologfragment. Ein rabenähnlicher Vogel im Paradies der Steine“.
Jonas ließ die „Ks“ prächtig krachen und entführte anschließend ins Paradies der Zahlen. Das machte Lust auf mehr und mehr folgte dann auch. Adina und Jonas wechselten sich ab und gaben insgesamt 90 Minuten lang Einblick in ihr Können. Dem Publikum und den Veranstaltern gefiel’s. Ein rundum gelungener Abend im Zeichen der Poesie!
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1 Antwort zu Die goldene Flut im Paradies der Zahlen

  1. Alain Wafelmann sagt:

    Es war sehr wirklich sehr schön! Danke!

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